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AutorenbildEric wrigth

Cannabis-Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Ein wegen des Anbaus von Cannabis verurteilter 55-jähriger Mann aus Hessen hat eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der nicht vorbe­straf­te Beschwerdeführer wurde wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vom Amtsgericht Dillenburg zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Die Berufung blieb erfolglos, das Urteil des Amtsgerichts Dillenburg wurde in zweiter Instanz durch das Urteil des Landgerichts Limburg bestätigt. Die Revision des Beschwerdeführers hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main mit einem Tenorbeschluss, also im Wesentlichen ohne Begründung, zurückgewiesen. Nun soll das Bundesverfassungsgericht klären, ob die Urteile dieser hessischen Strafgerichte verfas­sungsgemäß sind. Dem Hanfverband liegt die Verfassungsbeschwerde schriftlich vor. Aus der Sicht des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Ch. Reusch, eines langjährigen früheren Richters am Oberverwal­tungsgericht a.D., der nach seiner Pensionierung als Richter in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Peters und Partner in Koblenz tätig ist, muss das Bundes­verfas­sungs­gericht der Beschwerde wegen Grundrechtsverlet­zun­gen aus Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör), Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Hand­lungsfreiheit), Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde), wegen Verstoßes gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, den Grund­satz der Verhältnis­mäßigkeit, das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz und den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (§ 119 Abs. 4 GG) stattgeben.

Der Fall Der 55 jährige hatte im Garten seines Hauses 14 Cannabispflanzen angebaut, die, und das ist die Besonderheit dieses Falles, unstreitig ausschließlich für den Eigenkonsum bestimmt waren. Nachdem eine Nachbarin Mitte August 2018 die Polizei über die Pflanzen im Garten nebenan informiert hatte, wurde das Grundstück ein erstes Mal von Polizei­beam­ten „in Augenschein genommen“. Dabei konnten angeblich, behauptete die Polizei später, „keine Marihuanapflanzen festgestellt werden“. Bei einem zweiten Besuch etwa fünf Wochen später stellte die Polizei dann aber die in­zwi­schen voll ausgereiften, blühenden Marihuanapflanzen sicher. Die La­bor­­unter­suchung dieser konfiszierten Pflanzen mit einem Gesamtgewicht von 341,5 Gramm ergab einen THC-Anteil von 9,2 Gramm. Dieser Wert liegt über den 7,5 g THC, ab dem der Besitz von Cannabis eine „nicht geringe Menge“ im Sinne von § 29a Abs.1 Satz 2 BtMG darstellt und als Verbrechen bestraft wird.

Beweisverwertungsverbot Dieses Vorgehen der Polizei sei, so die Verteidigung in dem fachgerichtlichen Ver­fahren vor dem AG Dillenburg, dem LG Limburg und in der Revision bei dem OLG Frankfurt, höchst fragwürdig und müsse zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Offen­kundig, so die Verteidigung, hätten die Beamten die Pflanzen bereits bei dem ersten Besuch gesehen, wollten aber abwarten, bis sie richtig blühten, weil das den THC Gehalt bekanntlich erheblich erhöht. In der Verfassungsbeschwerde heißt es dazu:

“Die Polizei hat behauptet, bei der ersten Augenscheineinnahme des Grundstücks des Beschwerdeführers am 14.08.2018 keine Marihuanapflanzen festgestellt zu haben. Das ist völlig unglaubwürdig! Denn wenn diese Pflanzen einen guten Monat später, am 19.09. 2018, so groß waren, dass sie eine „ nicht geringe Menge “ des Wirkstoffgehalts, nämlich 9,2 g THC, enthielten, dann waren sie natürlich etwa einen Monat vorher jeden­falls so groß, dass die Polizisten sie unter allen Um­ständen bemerkt haben müssen. Wie können sich ausgewachsene Staatsanwälte und Strafrichter denn von der Polizei derart be­lügen lassen? Dieses Verhalten der Polizei war grob pflichtwidrig und verletzte das prozessuale Grundrecht eines fairen Verfahrens.” … Die Beamten haben also entweder die Tatbestandsverwirklichung durch pflichtwidriges Unterlassen vorsätzlich mitverursacht, oder grob fahrlässig und pflichtwidrig nur unzureichend ermittelt, was aus Sicht der Verteidigung … zu einem Beweisverwertungsverbot führen muss.“

Weitere Einzelheiten aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG’s muss, so die Verteidigung, eine Ver­fas­sungs­beschwerde …

„angenommen werden, wenn dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 2 BVerfGG genann­ten Grundrechte und grundrechtsähnlichen Rechte angezeigt ist. Davon ist hier auszu­gehen. […] Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Ver­brechens nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unter Ignorierung seines gesamten Vertei­digungsvorbringens, vor allem im Revisionsverfahren durch das OLG Frankfurt/ Main, deutet auf eine generelle Vernach­lässigung der betroffenen Grundrechte durch diese Gerichte sowie auf ihren aus­gespro­chen leichtfertigen Umgang mit anderen durch diese Verfassungsbestimmung grund­gesetzlich geschützten verfah­rens­rechtlichen Rechtspositionen des Beschwerde­führers hin, insbesondere seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, die Grundrechte auf Wahrung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs.1) sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.”

Die Verteidigung bezieht sich in der Begründung dieser Verfassungsbeschwerde auch mehr­fach auf den Vorlagebeschluss des Amtsgericht Bernau bei Berlin vom 18.09.2019 – 2 Cs 226 Js 7322/19 – nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Dessen Verfasser, Rich­­ter am Amtsgericht Andreas Müller, zieht in dieser sorgfältig und ausführlich begrün­de­ten Richtervorlage u.a. die Verfassungs­ge­mäßheit der Bestimmungen des BtMG über die Straf­barkeit des Besitzes von Cannabis nachdrücklich in Zweifel.

Fazit Die bereits eingereichte Verfassungsbeschwerde wird u.a. mit Fehlern bei der polizei­lichen Ermittlungsarbeit begründet, was allerdings nur für den Beschwerdeführer in diesem Einzelfall relevant ist. Es wird aber auch die Strafverfolgung von Can­na­bis­­kon­sumenten aus grundsätzlichen Erwägungen als verfassungswidrig erachtet, zum Bei­spiel wegen ei­nes eklatanten Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In diesen Teilen der Argumentation ist das Verfahren letztlich für alle Cannabiskonsumenten von Bedeu­tung. Zitat von Rechtsanwalt Dr. Reusch:

„Kein halb­wegs normaler Mensch kann es als richtig und gerecht ansehen, dass ein Bür­ger, der sich im Garten einige Haschisch-Pflanzen für den Eigen­verbrauch zieht, als Ver­brecher (!) bestraft wird, während auf der anderen Sei­te alle Welt die töd­lichen Drogen Alko­hol und Nikotin konsumiert, als gebe es keinen Mor­gen, ohne dass dies strafrechtlich geahndet wird. Dabei ist wissen­schaft­lich und empirisch erwiesen, dass an diesen beiden gesell­schaftlich anerkann­ten Drogen jedes Jahr al­lein in Deutsch­land mehr als 150.000 (in Wor­ten: einhundert­fünfzig­tausend) Men­schen ster­ben, aber an Haschisch niemand.“

Neben dem Vorlagebeschluss von Richter Andreas Müller liegt dem BVerfG nun also ein weiteres verfassungsgerichtliches Verfahren vor, aufgrund dessen das höchst deutsche Gericht prüfen wird, ob die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten nach dem BtMG verfassungswidrig ist, und zwar insbesondere dann, wenn es allein um Eigenkonsum des Betroffenen geht. Aus Sicht von Dr. Reusch ist davon auszugehen, dass das BVerfG seine jahrzehntealte frühere Rechtsprechung zum Thema „Cannabis“ überdenken wird. Diese alten Entscheidungen werden in dem Vorlage­beschluss des AG Bernau und in der Verfas­sungs­beschwerde von Rechtsanwalt Dr. Reusch mit ausführlicher Begründung als „überholt“ bezeichnet. Aktuell von einem Strafverfahren wegen des Besitzes von Cannabis Betroffene können gemeinsam mit ihren Anwälten ebenfalls den Weg durch die Instanzen gehen und mithilfe der Richtervorlage von Richter Andreas Müller oder der Mustervorlage der Rechtsanwälte Scharnhorst und Honecker nach Erschöpfung des Rechtsweges Verfas­sungsbeschwerde einlegen.

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