Seit Jahren wird in Süd- und Zentralamerika verstärkt über eine Liberalisierung der Drogengesetze diskutiert. Wird Uruguay nun der erste Staat der Erde, in dem Cannabis vollständig legalisiert wird?
Es brodelt in Lateinamerika
Schon im Herbst 2010 kam eine lateinamerikanische Kommission zu Drogen zu dem Ergebnis, dass die Beteiligten sich von der repressiven Drogenpolitik abwenden und den Fokus mehr auf öffentliche Gesundheit und Menschenrechte legen wollten.
Auch bei der Global Commission on Drug Policy, die im letzten Jahr mit spektakulär prominenter Besetzung eine Wende in der Drogenpolitik forderte, fielen drei ehemalige Staatspräsidenten aus Lateinamerika auf (Mexiko, Kulumbien, Brasilien).
In Brasilien und Argentinien werden zur Zeit konkrete Schritte zur Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten diskutiert.
Dieses Jahr brachte eine Allianz lateinamerikanischer Staaten das Thema Drogenlegalisierung gegen den Willen der USA auf die Tagesordnung des Amerika-Gipfels.
Juni 2012: Medienberichte über Legalisierung in Uruguay
Im Juni dieses Jahres erweckten Berichte deutschsprachiger Medien durch reißerische Überschriften den Eindruck, als stünde die Legalisierung im südamerikanischen Land Uruguay unmittelbar bevor:
Die bisher detailliertesten Informationen lieferte der englischsprachige economist nach:
Aus diesen Quellen ergibt sich folgendes Bild:
Der Plan der Regierung
Die Regierung hat offenbar fest vor, einen Gesetzentwurf ins Parlament einzubringen, nach dem der Anbau von Cannabis und die Abgabe an erwachsene Uruguayer in staatlicher Regie bzw. staatlich lizenziert erfolgen soll. Damit wäre Uruguay tatsächlich das erste Land der Erde, das den Cannabismarkt vollständig reguliert. (In den Niederlanden ist nur die Abgabe an Konsumenten in den Coffeeshops geregelt, nicht aber der Anbau und Großhandel.) Bei den Details gibt es aber offenbar noch Abstimmungsbedarf in der Regierung.
Staatspräsident José Mujica stellt sich das offenbar so vor, dass sich jeder Konsument registrieren lässt. Die Einkäufe sollen überwacht und auf 30 Gramm Cannabis limitiert werden. Neue Ware soll es nur gegen Abgabe der Jointstummel direkt von staatlichen Stellen geben. Verteidigungsminister Eleuterio Fernández Huidobro findet diese Regelungen aber offenbar “zu autoritär”. Dagegen spricht auch, dass Konsumenten vermutlich wenig Interesse an dieser Überwachung haben und sich weiter auf dem Schwarzmarkt bedienen könnten. Einig sind sich die Regierungsvertreter aber scheinbar in der Meinung, dass der private Eigenanbau von Hanf zur Selbstversorgung nicht legalisiert werden soll. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass das Land nicht zum Exportland werden will. Uruguay muss sowieso mit internationalen Widerständen rechnen, deshalb will die Regierung die volle staatliche Kontrolle über die Produktion haben.
Als Begründung für die Legalisierung wird einerseits die Trennung der Märkte für Cannabis und andere Drogen sowie die Bekämpfung organisierter Kriminalität genannt.
Internationale Widerstände
Die Ankündigung bekam zwar auch positive Resonanz, z.B. vom Staatspräsidenten Guatemalas. Aber das Land muss auch mit vielfältigen Widerständen rechnen. Die UNO wird Druck auf das Land machen, da es mit diesen Plänen gegen internationale Drogenabkommen verstoßen wird. Die USA werden vermutlich auf versuchen, die Pläne zu verhindern. Und selbst der Staatspräsident von Kolumbien, der einer Liberalisierung der Drogengesetze grundsätzlich positiv gegenüber steht, ist skeptisch, wenn ein Land allein eine “Insellösung” realisiert.
Deshalb kursiert bereits eine Petition im Internet, um Uruguays Staatspräsidenten bei seinem Vorhaben zu unterstützen.
Wie wahrscheinlich ist nun die Legalisierung in Uruguay?…
Uruguay ist in Sachen Cannabis traditionell relativ liberal. Der Besitz von Cannabis zum Eingengebrauch war dort noch nie strafbar, was übrigens nicht zu hohen Konsumraten geführt hat. Mujicas Regierung hat eine Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments, aber nur eine knappe. Wenige Abweichler könnten ausreichen, um die Pläne zu Fall zu bringen. Vermutlich werden noch einige diplomatische Konsultationen nötig sein, um möglichst viele Verbündete hinter sich zu bringen, bevor ein Erfolg wahrscheinlich wird. Aber immerhin, Uruguay hat schon einige Verbündete in der Region und die Regierung ist sich über die grobe Marschrichtung einig. Die Chancen stehen nicht schlecht!
…und wann könnte es soweit sein?
Es wird sicher noch einige Monate dauern, bis es zu einer Entscheidung des Parlaments kommt. Bisher ist noch nicht einmal ein Gesetzentwurf bekannt. Diskussionen über die Details dürften noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Möglicherweise wartet das Land auch noch die Präsidentschaftswahlen in den USA im November 2012 ab. Gleichzeitig wird die Bevölkerung in drei US-Bundesstaaten über die Legalisierung von Cannabis abstimmen. Mit einem entspannten, frisch wiedergewählten Obama, der womöglich noch durch Referenden seiner eigenen Bevölkerung zur Legalisierung aufgefordert wird, könnte die Sache deutlich entspannter ablaufen.
Uruguays José Mujica argumentiert, dass alle bisherigen Verbotsansätze kolossal gescheitert seien. „Einer musste den Anfang machen in Südamerika“, sagt José Mujica. „Uruguay ist ein kleines Land, wo manche Dinge einfacher zu bewerkstelligen sind.“ ( Die Presse, 26.06.2012: Uruguay: Wenn der Staat zum Drogendealer wird )
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