In einem aktuellen Videointerview äußert sich der Ministerpräsident von Baden-Württemberg zur Cannabisfrage. In seiner Antwort zeigt er persönliche Sympathien für eine Entkriminalisierung von Cannabis, sieht aber keine Mehrheit dafür.
Nachdem bereits am 13. Januar bei einem öffentlichen Bürgerdialog in Wiesloch Mitglieder der DHV-Ortsgruppe Rhein-Neckar das Gespräch mit Kretschmann über seine Cannabispolitik gesucht hatten, bot sich direkt eine weitere Gelegenheit für eine inhaltliche Konfrontation: Der Ministerpräsident hatte öffentlich zur dritten Online-Sprechstunde eingeladen, bei der er sich den Fragen der Online-Community stellen wollte. So rief der DHV über Facebook und den Terminkalender dazu auf, dabei mitzumachen und ihn mit der Problematik der bestehenden scharfen Verfolgung von Cannabiskonsumenten in Baden-Württemberg zu konfrontieren.
Daraufhin wurden online viele Fragen zu Cannabis gepostet. Der Moderator fragte dann schließlich gegen Ende der Sendung, bei Minute 39:12, warum Kretschmann als grüner Politiker nichts für die Entkriminalisierung von Cannabis macht, und ob er kein Interesse hätte, einer Gruppe seiner Wähler damit Gehör zu schenken. Die Antwort entspricht weitestgehend dem, was er zwei Wochen zuvor den DHV-Mitgliedern auf ihre Fragen antwortete. Mit einer kleinen Besonderheit, die direkt am Anfang und nur schwer verständlich gesagt wird:
*Lach* Ich kann ja nicht Politik danach machen, wer wählt mich und wer nicht. Ich meine wo kämen wir denn da hin? Man muss schon fragen, was ist das richtige für das Land und seine Menschen.
Da stimmen wir vom DHV Herrn Kretschmann natürlich zu. Politik sollte sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen richten, und nicht nur nach dem Wähler. Das Hanfverbot erzeugt viele Probleme: Von fehlenden Steuereinnahmen und Jugendschutz über Kriminalität, Streckmittel, Legal Highs, unnötige Repression usw. Und es reduziert noch nichtmal den Konsum! Uns ist einfach keine schlüssige Argumentation bekannt, warum das Verbot “das richtige für das Land und seine Menschen” ist. Aber zum Glück versucht Herr Kretschmann auch gar nicht, derartige Argumente zu finden. Vielmehr kommt er direkt von seiner Erklärung, warum man sich nicht nur nach den eigenen Wählern richten sollte, zum scheinbar entscheidenden Argument:
Ja erstmal muss man sehen, um da was zu ändern, dafür gibts erstmal keine Mehrheit. Also ich persönlich bin durchaus ein Befürworter einer starken Liberalisierung heute illegaler Drogen, aber nicht damit mehr gekifft wird, sondern weniger! Damit da bitte kein Missverständnis entsteht!
Kretschmann hat leider recht, nach unserer Umfrage per Infratest-Dimap haben wir noch keine Mehrheit dafür, die Cannabispolitik konsequent zu reformieren und jede Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten zu beenden. Aber laut unserer EMNID-Umfrage von 2010 gibt es auch in Baden-Württemberg zumindest eine Mehrheit dafür, die Konsumenten weniger hart anzugehen. Die Menschen in Baden-Württemberg wollen den Besitz geringer Mengen eher wie eine Ordnungswidrigkeit behandeln, “wie bei einem Verkehrsdelikt”. Und sicher hat Kretschmann keine Mehrheit dafür, dass Baden-Württemberg neben Bayern zu den Bundesländern gehört, die Cannabiskonsumenten am härtesten verfolgen. In Baden-Württemberg herrscht seit 3 Jahren eine Regierung mit grüner Mehrheit, und trotzdem gibt es dort regelmäßig verdachtsunabhängige Kontrollen gegen alles, was nach Cannabiskonsument aussieht. Trotzdem gibt es dort vergleichsweise hohe Strafen für geringste Mengen Marihuana oder Haschisch.
Zum Ende des Interviews äußert der Ministerpräsident, dass einfache Konsumenten mit ihren Eigengebrauchsmengen ja in der Regel nicht bestraft würden. Das trifft jedoch gerade in Baden-Württemberg und Bayern nur sehr eingeschränkt zu, gerade bei “Wiederholungstätern” gibt es oft keine Gnade.
Kretschmann hatte viel Zeit und Möglichkeiten, um zumindestens kleine Verbesserungen einzuleiten. Er und seine Regierung hätten die “geringe Menge Cannabis”, bis zu der Strafverfahren eingestellt werden können, auf 10 Gramm heraufsetzen können – wie die Rot/Grünen Länder NRW und Rheinland-Pfalz. Er hätte mit Polizei und Staatsanwaltschaft über Prioritäten bei der Strafverfolgung sprechen können. Aber nichts ist passiert… Auf Grund dieser kontinuierlichen Untätigkeit der Regierung in Baden-Württemberg werden wir bald erneut eine Plakatkampagne gezielt in Stuttgart starten, bei der wir wieder fragen: “Auch die Grünen jagen Hanffreunde – Wie lange noch?”
Dazu muss man sagen, dass wir in weiten Teilen Deutschlands mittlerweile sehr positive Zeichen von den Grünen sehen, wobei die Aktion von Cem-Özdemir und das damit zusammenhängende Strafverfahren nur das bekannteste ist. Gerade wegen dieser generell positiven Signale ist es uns aber besonders wichtig, die Untätigkeit der Landesregierung in Baden-Württemberg zu thematisieren und konkrete Verbesserungen einzufordern.
Comentarios