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AutorenbildEric wrigth

Bätzing glaubt, Drogenkonsumenten seien in Deutschland entkriminalisiert

In einem Interview fordert die Drogenbeauftragte eine Kehrtwende in der Drogenpolitik und behauptet, in Deutschland würden Drogenkonsumenten nicht verfolgt.


Die Politikerin ist scheinbar gut in der Lage, sich ihrer Umgebung anzupassen. Normalerweise vertritt sie regelmäßig eine harte Linie in der Drogenpolitik, am Verbot von Cannabis will sie keineswegs rütteln, wie sie z.B. auf abgeordnetenwatch dieser Tage mal wieder klargestellt hat:

Mir fällt auf, dass sehr häufig Cannabis mit Alkohol oder Nikotin verglichen wird, um seine relative Harmlosigkeit zu suggerieren. Ich halte solche Vergleiche für problematisch, weil damit von den mit dem langanhaltenden Konsum von Cannabis verbundenen gesundheitlichen und sozialen Risiken abgelenkt wird. Für mich haben die Gesundheit und das soziale Miteinander einen hohen Stellenwert. Ich setze ich mich daher dafür ein, dass die Anreize zum Konsum aller gesundheitlich bedenklichen Substanzen nachlässt – und damit auch die mit dem Konsum verbundenen Schäden. Wie ich schon an anderer Stelle ausgeführt habe, setzen wir hierzu in der Drogen- und Suchtpolitik auf einen Policy-Mix aus Prävention, Schadensminderung, Behandlung und Angebotsreduzierung. Das Verbot des Besitzes, des Anbaus und des Handels von Cannabis ist Teil dieses Policy-Mix und hat sich zur Angebotsreduzierung bewährt. Und auch in Deutschland kann bei geringen Mengen von einer Strafverfolgung abgesehen werden. So lange Cannabis nicht als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden kann, gibt es keine Veranlassung, den bestehenden Gesundheitsrisiken durch Tabak und Alkohol durch die Freigabe von Cannabis ein weiteres hinzuzufügen.

Erstmal ist es erstaunlich, wie Bätzing es regelmäßig ablehnt, Cannabis mit Alkohol und Nikotin zu vergleichen, um gleich darauf eine völlig unterschiedliche rechtliche Einordnung der Drogen zu verteidigen, um dann wieder so zu tun, als würde die Regierung an alle schädlichen Substanzen mit der gleichen Strategie herangehen. Sie tut außerdem genau das Gegenteil von dem, was sie den Fragestellern vorwirft: indem sie den Vergleich zwischen den legalen und illegalen Drogen ablehnt und nur einseitig auf die Gefahren von Cannabis eingeht, verharmlost sie die Gefahren der legalen Drogen Alkohol und Tabak. Aber das nur am Rande, weil es mir so haarsträubend unlogisch vorkommt.

Lustigerweise kommt das Wort “Repression”, anders als in früheren Jahren bei diesem “Policy-Mix”, den “Säulen” der Drogenpolitik, gar nicht mehr vor, obwohl nach wie vor der mit Abstand größte Teil der finanziellen Ressourcen genau in diesen Bereich geht. So kann Bätzing die vorherrschende repressive Drogenpolitik verteidigen und gleichzeitig so tun, als wären die anderen “Säulen” wie Prävention und Behandlung viel wichtiger.

Auf dem Caritas-Kongress sind nun internationale Experten zusammengekommen, die die prohibitive Drogenpolitik grundsätzlich kritisieren. Also sagt sie in einem Interview mit dem Deutschlandradio:

March: Die Caritas fordert eine Kehrtwende in der internationalen Drogenpolitik. Ist die auch aus Ihrer Sicht nötig? Bätzing: Ja, ich denke der Kongress der Caritas kommt wirklich zum richtigen Zeitpunkt. Im März wird ja in Wien die internationale Staatengemeinschaft über die Erfahrungen der letzten zehn Jahre im Umgang mit dem weltweiten Drogenproblem beraten, und wir haben 1998 von einer Sonderversammlung der Vereinten Nationen ein Programm verabschiedet, um zu einer deutlichen Reduzierung des Angebots und der Nachfrage nach illegalen Drogen zu kommen, um den Anbau von Drogenpflanzen zu beseitigen und wirklich um dem Ziel einer weitgehend drogenfreien Welt näherzukommen. Und man hat sich auch bemüht, aber wenn man wirklich eine nüchterne Bestandsaufnahme macht, dann muss man feststellen, dass wir von diesem Ziel noch weit entfernt sind. Es gibt immer noch den Anbau von Drogenpflanzen in Afghanistan, noch immer gibt es Vorläufersubstanzen, das heißt, es ist immer noch sehr, sehr viel zu tun, weil es wurde lange ein Krieg gegen die Drogen geführt, anstatt die Probleme zu verstehen, die hinter dem Konsum von Drogen stecken. Also von daher ist da einiges noch zu tun.

Wow, das klingt ja gut, oder? Kehrtwende, weil die Drogenpolitik nicht funktioniert hat! Moment, sie hat das Wort “Kehrtwende” nicht selbst in den Mund genommen. Was sie sagt, könnte auch heißen “Wir haben uns nur noch nicht genug angestrengt mit der Repression”. Aber nein, es geht weiter:

March: Caritas International sagt ja als Veranstalter der Konferenz über neue Wege in der Drogenpolitik, die heute in Berlin beginnt, dass es eine Welt ohne Drogen nie geben wird. Verabschieden Sie sich auch von diesem Ziel? Bätzing: Gut, man muss wirklich realistisch sein. Wir wollen zwar, dass Menschen nicht abhängig werden von Drogen und auch dass der missbräuchliche Konsum zurückgeht, aber wir müssen davon ausgehen, dass es schwierig ist, wirklich eine vollständige Abstinenz vom Drogenkonsum zu erreichen, eine rauschfreie, eine drogenfreie Welt. Das wäre wirklich nur möglich zu einem sehr, sehr hohen Preis, der Einschränkung von Freiheitsrechten. Aber wir wollen dennoch eine deutliche Reduzierung von deren Verfügbarkeit, und wir wollen eine deutliche Reduzierung des Konsums, allerdings mit Mitteln der Kontrollen, der Aufklärung, der Stärkung von Lebenskompetenzen, nicht mit Mitteln des Zwangs und nicht mit missionarischem Eifer. …

Hey, bingo, sie hat`s! Oh, äh, nein, dann sagt sie:

…Und darüber besteht hier in Deutschland Konsens, und auch hier ist unser übergreifender Ansatz sicherlich das richtige Instrument.

Wie bitte? Es herrscht Konsens, dass keine “Mittel des Zwangs” angewendet werden sollen, um Drogenkonsum zu verringern? Ah ja, das führt sie weiter oben genauer aus:

March: Das heißt, die seit den 70er-Jahren verfolgte Politik, die sich auf eine Strafverfolgung konzentriert, ist gescheitert? Bätzing: Also seit den 70er-Jahren gibt es die Strafverfolgung, das ist korrekt, und seit 1998, also seit etwa zehn Jahren, gibt es einen ausgewogenen Ansatz.

??? Wieso, was hat sich denn 1998 geändert? In Deutschland wurden in diesem Jahr Hanfsamen und Zauberpilze verboten und die die Verfolgung von nüchternen Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr begann mit einer verschärften Führerscheinverordnung. Von Entspannung kann keine Rede sein. 1998 gab es knapp 80.000 Strafverfahren gegen einfach Cannabiskonsumenten (ohne Dealer), im Jahr 2007 waren es über 100.000 Verfahren. Sie muss wohl die Politik auf internationaler Ebene meinen, um die es ja auf dem Kongress auch ging. Dort wurde zwar seit 1998 auch nicht weniger Militär und Gift gegen die Bauern in den Erzeugerländern eingesetzt, aber immerhin sind alternative Entwicklungsprogramme dazu gekommen. Konkret zu Deutschland sagt Bätzing weiter:

March: Ist dabei die Entkriminalisierung der Konsumenten auch ein wichtiges Element? Bätzing: Ja, also bei uns ist es vor allen Dingen wichtig, dass wir bestrafen vor allem den Drogenhandel und dessen wirklich, ich sag mal skrupellosen Profiteure. Wir bestrafen nicht die abhängigen Menschen, sondern für diese abhängigen Menschen haben wir Hilfsangebote, von drogenfreien Therapien bis hin zu medikamentengestützten Behandlungen, wie Methadonbehandlung oder auch das Modellprojekt der heroingestützten Behandlung für langjährige Abhängige. Weil diesen Menschen hilft jetzt nicht Ideologie oder reine Strafverfolgung, sondern eine wirklich medizinische Behandlung. Und diesem Ansatz haben wir uns verschrieben.

Da fragt man sich schon: In welchem “Ressort” lebt die eigentlich? Klar, im Gesundheitsministerium, wo es in Sachen Cannabis nur um schöne Präventions- und Behandlungsprogramme geht. Repression kommt dort gar nicht vor. Aber im echten Leben, Frau Bätzing, da kommt sie sehr wohl vor! Die Leute haben Angst! Sie werden mit Straverfahren überzogen. Selbst wenn diese mit einer Einstellung enden, so haben die betroffenen Konsumenten, die Sie pauschal “Abhängige” nennen, doch zu spüren bekommen, was es heißt, plötzlich als Straftäter abgestempelt zu sein, eine rabiate Hausdurchsuchung in Bayern zu erleben, den Führerschein zu verlieren, auch wenn sie nie bekifft gefahren sind. Das ist die Realität da draußen. Wachen Sie auf, Frau Bätzing!

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